26.01.2025 Gesinnung demonstrieren? – Demokratie praktizieren!
Die Demokratie ist in Gefahr, so hört man von allen Seiten. Zigtausende demonstrieren „gegen rechts“ und errichten mehr oder weniger hohe Brandmauern dagegen. Gemeint sind hierzulande die AfD und anderswo die Trumps, Krickls, Orbans, Le Pens, Melonis & Co., also diejenigen, die auf nationaler Souveränität bestehen und dafür ggf. ihre Grenzen kontrollieren und Missbrauch vermeiden/ begrenzen wollen. Man darf darin drohende Gefahren sehen und „den Anfängen wehren“ wollen, sollte aber nicht vergessen, dass dahinter große Zahlen von Wählern, bzw. demokratische Legitimationen zum Regieren stehen, die man ernst nehmen muss. Zugegeben: die US-Demokratie zeigt ihre Schwächen gerade sehr deutlich. Ein vorbestrafter Präsident wurde mit ungleichen Wahlsystemen von einem Drittel der Bürger gewählt, kann per Dekreten die Legislative übergehen, die ihn sowieso kaum kontrolliert, per Begnadigungen in die Judikative eingreifen und selbst einen Verfassungsbruch propagieren. Siehe auch – Button Demokratie im Detail – Demokratische Vielfalt – USA.
Es gibt unter diesen Wählern unbelehrbare Rassisten, dennoch sind sachliche Argumente statt Demonstrations- und Kampfbereitschaft gefordert. Nicht weil man damit jeden überzeugen kann, sondern weil man nur so Demokratie am Leben erhält. Sind „demokratische“ Brandmauern gegen rechten Wählerwillen denn etwas Besseres als der von rechts geforderte souveräne Umgang mit den eigenen Landesgrenzen und den Bürgerrechten? Die einen wollen unerbetene Nicht-Staatsbürger aus Deutschland ausgrenzen, die anderen wollen unliebsame Staatsbürger von politischer Einflussnahme ausgrenzen. Ist das wirklich demokratischer? Das Demonstrationsrecht ist eine gute demokratische Errungenschaft – vor allem um den Bürgerwillen gegen schlechte Regierungen zu zeigen! Aber welchen Sinn hat es, wenn eine Bürgergruppe gegen eine andere ihre politische Haltung demonstriert? Will sie damit die anderen überzeugen? Wohl kaum. Will sie die Regierung auffordern, die anderen irgendwie zum Schweigen zu bringen? Hoffentlich nicht. Man zeigt seinen Mitbürgern so nur die „richtige“ Gesinnung, wozu man jedes demokratische Recht hat. Aber ein praktischer Sinn ist kaum erkennbar.
Solche Gesinnungs-Demonstrationen können sogar gefährlich sein, weil sie aus rivalisierenden politischen Lagern verfeindete politische Lager machen und Aktivisten gegeneinander in Stellung bringen, ohne dass eine inhaltliche Auseinandersetzung stattfindet. Wer bringt mehr Demonstranten auf die Straße oder Wähler an die Urne? So handelt, wer mit dem anderen nicht reden will. Das gilt für aggressive Rechtsradikale ebenso wie für aggressive Klimaschützer und Antifaschisten. Und wer den historisch hinkenden Vergleich mit 1933 bemüht, sollte sich daran erinnern, dass Hitler nicht zum Reichskanzler „gewählt“ worden ist, sondern auf Basis eines Drittels der Wählerstimmen von einem monarchistisch gesinnten Staatspräsidenten dazu ernannt wurde – nachdem „antifaschistische“ Kräfte sich vorher in öffentlichen Demonstrationen bis hin zu blutigen Straßenkämpfen mit ihren Gegnern und untereinander beinahe aufgerieben hatten.
Wir müssen aufpassen, dass wir innenpolitisch nicht denselben groben Unfug veranstalten, der außenpolitisch schon seit einiger Zeit wieder praktiziert wird: Krieg, der von den mit politischen Machthabern verbandelten wirtschaftlich Mächtigen geführt wird, begleitet von Verteufelungspropaganda der jeweiligen globalen Gegner. Für die einen sind die anderen die Achse des Bösen, für die anderen sind die einen die faschistischen Kapitalisten. Feindbilder sind unerlässlich, wenn man Krieg führen will. Denen, die global tatsächlich um echte Macht ihre Kriege führen, ist es übrigens – anders als den Gesinnungs-Demonstranten – ziemlich egal, ob man heute mal Verbündete hat, die man morgen zum bösen Gegner erklären muss oder umgekehrt. Den real und global kämpfenden Machthabern geht es kaum um die Gesinnungen, deretwegen die jeweiligen Demonstranten hier auf die Straße gehen.
Innenpolitisch orientieren sich viele der Gesinnungs-Demonstranten heute an der einen oder der anderen Seite der globalen Neu-Orientierung – „kapitalistischer Westen“ oder „globaler Süden“ – und projizieren deren Interessen auf veraltete politische Lager-Einteilungen und vermeintliche Loyalitäten. So finden zum Beispiel (auch und gerade) Linke hierzulande fast keine Kritik an dem Krieg des Kremls, weil da schließlich etwas gegen den US-Imperialismus geschieht, während der Kreml und seine Konsulate auch hierzulande gerne die als rechtsradikal Gebranntmarkten zu sich einladen und mit ihnen kooperieren. Gleichzeitig befeuern z.B. ehemalige Klimaschützer die militärische Aufrüstung inkl. Kriegsführung z.B. in der Ukraine – was CO2-Ausstöße verursacht, die von Windrädern und Solardächern in 500 Jahren nicht kompensiert werden können. Die Welt ist voller Widersprüche, sagte schon Mao Tse-tung. Links-rechts ist nur noch eine Kategorie für Denkfaule.
Eine gute Zukunft wird es nur geben, wenn möglichst viele sich der kriegerischen Zeitenwende nicht anschließen, weder innen- noch außenpolitisch. Wir müssen uns ernsthaft auf den Wert von Demokratie und Frieden besinnen: Sachliche Auseinandersetzung, auch wenn wir nicht jeden überzeugen können. Gewaltfreier Widerstand, auch wenn andere Gewalt ausüben. Nur mit solchen Botschaften UND Praktiken kommen wir „nachhaltig“ weiter. Auch wenn es viel Geduld braucht. Und Mut.
12.01.2025 Alternativen zum Krieg?
Kriege als Mittel der Politik hat es zwar immer gegeben, sie werden seit einiger Zeit aber wieder selbstverständlicher. Die Kriegsbereitschaft steigt nicht nur auf der Ebene der politischen Akteure, sondern leider auch auf der Ebene der sie wählenden Bürger. Dabei sind es nicht einmal die Nicht-Demokratien des globalen Ostens und Südens, die hier mit Aggressionskriegen voran geschritten sind, sondern diese schließen sich allmählich dem Vorbild des demokratischen Westens an, der seit der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts eine kriegerische „Zeitenwende“ eingeleitet hat. Während vorher kriegerische Aktionen oft ohne größere Öffentlichkeit stattfanden oder sogar zu größeren öffentlichen Protesten führten (Vietnam), werden inzwischen die aufeinanderfolgenden Kriege und Waffenlieferungen in Kriegsgebiete auf westlicher Seite zur Normalität und finden eine mehr oder weniger breite Zustimmung. Das ist eine neue Qualität.
Hier geht es nun nicht um einen weiteren empörten Ruf, sei es zum Beispiel in Richtung Ukraine und ihren Waffenbrüdern (also auch uns), sei es in Richtung Kreml und seinen praktischen und propagandistischen Unterstützern – so berechtigt diese und andere Rufe sein mögen. Sondern man muss sich angesichts der zunehmenden „Normalität“ ernsthaft die Frage stellen: ist Krieg alternativlos? Sind die Kriege, die wir aktuell erleben, wirklich Notwehr-Verteidigungskriege? – was bekanntlich jede Seite für sich mit mehr oder weniger schlechten Argumenten beansprucht, sodass mindestens eine Seite nicht recht haben kann.
Bleiben wir bei dem Beispiel Ukraine: Ja, Staaten, die einst zum Sowjet-Imperium gehörten, haben sich von Russland ab- und dem Westen zugewandt, sodass Russland sich bedroht fühlen mochte – aber es stand kein Angriff von diesen oder anderen Staaten gegen Russland auf der Tagesordnung. Die Ukraine ist auch nicht, entgegen anderslautenden Gerüchten, vor 2022 massiv aufgerüstet worden. Und ja, Russland führt in der Ukraine einen Angriffskrieg – aber die Unterdrückung des Russischen in der Ostukraine, die Verweigerung vertraglich vereinbarter Autonomie-Abstimmungen, also der Anlass zum bewaffneten Separatismus, war völlig unnötig und problemlos vermeidbar.
Die Argumente beider Seiten sind schwach, sofern man ihnen denn Friedenswillen unterstellen will. Und noch schwächer, wenn man das Leben von Menschen als Kriterium nimmt: Es gibt nach drei Jahren Krieg mehrere Hunderttausend Tote, Verwundete, zerstörte Städte. Was wäre passiert, wenn keine Seite sich zu Waffengängen entschlossen hätte? Die übliche Antwort lautet in solchen Fällen: dann hätte es große Unfreiheit und Ungerechtigkeit gegeben. Mag sein. Unterdrückungen der einen oder der anderen Bevölkerungsgruppe aus ethnischen, sozialen, religiösen, nationalistischen Gründen sind leider nichts Besonderes in der Weltgeschichte. Aber es gäbe sicher nicht das Ausmaß an Tod und Zerstörung, welches nun Realität ist. Und das immer nur dann entsteht, wenn eine mehr oder weniger große Minderheit aus einer unterdrückten Gruppe ruft: lieber tot als rot! Patria o muerte! und so weiter – Schlachtrufe dieser Art durchziehen die Menschheitsgeschichte. Im Beispiel waren es abtrünnige ukrainische Militäreinheiten, die mit russischer Rückendeckung den Kampf begonnen haben. Was ist aber in solchen Fällen mit der Freiheit und Gerechtigkeit derjenigen, die diese Schlachtrufe mit ihrem Leben bezahlen, meist ohne gefragt worden zu sein?
Diese Frage muss uns angesichts von Leichenbergen und anderen Zerstörungen Verpflichtung sein, über Alternativen zum Krieg nachzudenken. Weiterführende Gedanken finden sich unter dem Button Genauer betrachtet. Kapitel: Gewaltfreier Widerstand und ziviler Ungehorsam.